VW legte im ersten Quartal 2015 seine Jahreszahlen für 2014 vor. Der Umsatz lag mit 202,5 Milliarden Euro um 2,8 % über dem Vorjahresergebnis, das operative Ergebnis war auf 12,7 Milliarden Euro gestiegen, ein Plus von rund einer Milliarde Euro gegenüber 2014. Einen großen Anteil an den Zuwächsen hatte der chinesische Markt. Die dortigen Joint Ventures übertrafen das Vorjahresniveau, das ebenfalls schon hoch ausgefallen war. Die operative Rendite stieg auf 6,3 % gegenüber 5,9 % in 2014. Dennoch blickten die VW-Oberen verhalten auf das laufende Jahr 2015: Regionen außerhalb Chinas kämen an die hohen Wachstumsraten im Reich der Mitte beleibe nicht heran, so der VW-Finanzvorstand Hans Dieter Pötsch. Doch wie lange noch kann die chinesische Lokomotive den VW-Konzern ziehen?
China scheint aktuell den VW-Konzern zu beflügeln, umgekehrt ist VW eine der dominierenden ausländischen Marken in China. Der Marktanteil aller deutschen Hersteller beträgt in China 28,7 %, Volkswagen erzielte in der ersten Jahreshälfte 2014 ein Absatzplus in Stückzahlen von 18,6 %. Doch andere ausländische Marken wachsen ebenfalls in China, was der boomenden Wirtschaft des Landes geschuldet ist. Das chinesische Wachstum schwächelt indes, die Zeiten ausschließlich zweistelliger Wachstumsraten sind Geschichte. Auch die chinesische Politik macht VW zunehmend Sorgen. Noch sind die Partner China und VW voneinander stark abhängig, denn während die chinesischen Käufer dem deutschen Konzern einen Großteil seines Wachstums bescheren - siehe oben -, scheinen mancherorts in China fast nur VW-Autos unterwegs zu sein. Da wäre zum Beispiel Schanghai, eine Stadt, in welcher praktisch die gesamte Taxiflotte aller vier dominierenden Unternehmen mit dem VW Santana unterwegs ist. Es handelt sich immerhin um über 50.000 Autos. Die Taxifahrer schätzen die Wagen wegen ihrer Robustheit und der günstigen Reparaturkosten. Den Stand hat sich VW in Jahrzehnten erarbeitet, denn es war der erste ausländische Automobilhersteller in China, der schon Mitte der 1980er Jahre dort das erste deutsch-chinesische Joint-Venture gegründet hatte. Heute gibt es 18 VW-Fabriken im Land, ein Ende ist nicht in Sicht. Im Jahr 2019 sollen fünf Millionen VW-Fahrzeuge die chinesischen Bänder verlassen. Schon jetzt sind alle VW-Marken in China vertreten, vom Škoda und Seat bis zum Audi, der beliebtesten Premium-Marke in China. Die Chinesen lieben VW, VW profitiert von China: Über ein Drittel der Produktion wird dort abgesetzt, die Gewinnmarge liegt sogar deutlich über einem Drittel.
Das Wachstum wird nun leicht ausgebremst, was die chinesische Regierung steuert, um die Inflation und auch die Umweltprobleme nicht allzu sehr anzuheizen. Die VW-Manager glauben dennoch nicht an ernsthafte Gefahren für ihr China-Geschäft. Der China-Chef des VW-Konzerns Heizmann verweist darauf, dass zweistellige Wachstumsraten über viele Jahre nirgendwo auf der Welt normal seien. Man glaube daran, dass in China auch in den kommenden Jahren das meiste Geld verdient werde, so Heizmann. Nirgendwo auf der Welt sei ein ähnliches Wachstum zu erwarten. Experten wie der Automarktkenner Jochen Siebert warnen: Eine chinesische Wirtschaftskrise könnte VW sehr deutlich zurückwerfen. Das ist allerdings nur die eine Seite der Sorgen-Medaille. Die andere ist die chinesische Politik, die ausländischen Konzernen gern hineingrätscht. Chinesische Politiker auf der höchsten Ebene prangern immer häufiger ausländische Konzerne an, denen manchmal zu hohe Preise, manchmal Wettbewerbsverstöße und manchmal auch Qualitätsmängel vorgeworfen werden. Der VW-Konzern war bereits mehrfach betroffen. So beliebt, wie sich das deutsche Manager wünschen, sind die starken europäischen und amerikanischen Marken beileibe nicht im staatskapitalistischen, kommunistisch angestrichenen China. Inzwischen fühlen sich viele ausländische Firmen im Vergleich zu ihren chinesischen Wettbewerbern sehr unfair behandelt. Auch die politische Ebene hat sich schon eingeschaltet: Beobachter der EU-Handelskammer beklagen intransparente Ermittlungsverfahren in China. Hinzu kommt das Bestreben der chinesischen Regierung, mittelfristig eine eigene Autoindustrie aufzubauen. Um dieses Ziel durchzusetzen und gleichzeitig die ausländischen Hersteller mit ihrem Know-how noch eine Weile im Land zu halten, greift man auf der chinesischen Führungsebene in die planwirtschaftliche Trickkiste. Die Ausländer dürfen weiter ihre Werke in China errichten, jedoch nur dort, wo es die Staatsplaner gern hätten. VW beispielsweise wurde veranlasst, sein neues Werk im unterentwickelten chinesischen Westen zu errichten, in einer Stadt namens Ürümqi, in welcher erst mit tatkräftiger VW-Hilfe die nötige Infrastruktur entwickelt werden muss. Solche Entwicklungen könnten irgendwann zum Pferdefuß des chinesischen VW-Wirtschaftswunders werden.
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